DIVINO - Das Magazin | N° 2/2019 Herbst - Winter

Der Thüngersheimer Johannisberg als Olymp! Das Thema Wein ist seit der Antike ein beliebtes Motiv in der Kunst. Es hat viele Künstler bis in die Moderne zu Picasso immer wieder in verschiedens- ten Facetten begeistert und inspiriert. In Zusammenarbeit mit Dr. Hermann Kolesch von der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöch- heim und den Landschaftsarchitekten und Stadtplanern arc.grün aus Kitzin- gen hat der Bildhauer Andreas Kräm- mer aus Seßlach die Götter-Skulpturen für die jüngste terroir f-Installation auf dem Fischberg im Thüngersheimer Johannisberg realisiert. Herr Krämmer, wie kam der magische Ort zu Ihnen und wie kamen Ariadne, Dionysos und Oenopion (der erste Winzer in der griechischen Mythologie!) auf den Thüngersheimer Johannisberg? Mit dem Konzept „terroir f“ kam ich schon 2016 in Kontakt, als ich einge- laden wurde, Ideen für einen Skulp- turenankauf verschiedener Künstler in Sommerhausen zum Thema Wein zu entwickeln, das dann auch so umgesetzt wurde. Und so folgte die Einladung, für den terroir f-Punkt in Thüngersheim etwas zu kreieren. Was geschieht auf dem Fischberg? Der Inhalt ist ein Ausgangspunkt für die künstlerische Gestaltung – dazu kommen die räumliche Situation und die Komposition. Die Ariadne ist eine lagernde Figur also Volumina, die horizontal im Raum angeordnet sind. Ariadne schläft am Strand von Naxos. Sie wurde gerade von Theseus verlas- sen und liegt vor Kummer darnieder, bis sie von Dionysos entdeckt, erweckt, erküsst wird. Das Gestalten an sich ist auch bei lebensnahen Darstellungen von Figuren etwas Abstraktes. Das Liegen ist nicht einfach ein liegender Kubus. Es ist die Entscheidung, ob der Körper anfängt, sich aufzurichten und wieder in die Welt zu blicken – etwa zu Dionysos und in die Ferne der Landschaft gerichtet. Dann erheben sich die Volumen von der Horizonta- len, müssen sich gegen die Schwer- kraft abstützen. Beim Dionysos ist es so, dass er sich hochbewegt, aus dem Weinberg kommt, der Knabe nochmal balancierend in die Vertikale steigt und nach den Trauben greift. Also verdeutlichen die Skulpturen auch die Elemente der Topographie – eben das spezifische Terroir. Welche Rolle spielt der Ort? Das landschaftliche Element prägte meine Idee ganz entscheidend. Ohne das Plateau, ohne die Fernsicht und den unten dahinfließenden Main wäre ich vielleicht nicht auf die so im Weinberg lagernde Ariadne gekom- men. Um ihre Wirkung zu entfalten, muss die Kunst beim Betrachter auch in späteren Zeiten etwas Emblemati- sches formen. Denken Sie an Tisch- beins "Goethe in der Campagna“. Wir bekommen eine Idee, ein Gespür für den Charakter des Dichters – aber auch von Italien und der Sehnsucht nach dem Italienerlebnis, wie er da lagert auf dem Steinblock. Wie ist das, wenn die eigene Skulptur zu einem solchen Ort gebracht wird? Nun, es ist das eine, etwas zu kon- zipieren, Modelle im Atelier zu bauen, Fotomontagen anzufertigen oder Maße aufzunehmen. Erst bei der Aufstellung allerdings zeigt sich die reale Wirkung. Als Ariadne im schweren LKW anreiste, bei offenem Sonnendeck die Serpentinen hoch, die Muschelkalkblöcke am Kran und Dionysos mit seinem Knaben Oeno- pion am Himmel schwebten, füllte sich der marketingträchtige Begriff des "magischen Ortes des Frankenweins" für mich mit realer Magie. Meine Skulpturen waren in Ausstellungen schon öfter in wunderbaren Räumen zu sehen – aber jetzt stehen sie völlig frei in einer Kulturlandschaft über dem Maintal, umgeben von Weinhän- gen, die sich in Thüngersheim ja groß- artig wie die Ränge in einem antiken Theater in die Weite ausdehnen. In diesem Moment ahnte ich ein wenig, was die Griechen bewog, Skulpturen im Freien aufzustellen. Was wünschen Sie sich für diesen Ort? Wenn der Blick auf die Kunstwerke auch einen Genuss für die Augen und das Empfinden der Besucher gibt, bin ich hoch erfreut. Wenn etwas anklingt, das auch zu Hause noch in der Erinne- rung mitschwingt, die Verbindung von Mythos und Gegenwart, der Blick für die Großartigkeit der Landschaft und der Schöpfung gesteigert wird, dann ist eigentlich alles erreicht, was man mit Kunst erreichen kann. Andreas Krämmer Bildhauer Luitpoldstraße 7 96145 Seßlach a.kraemmer@web.de 10 1 1 Titelstory Nº 2 / 2019

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