DIVINO - Das Magazin | N° 2/2021 Herbst - Winter
An dieser Stelle berichtet Dr. Beate Wende, Biologin an der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim, von besonderen Tieren und Pflanzen im Weinberg. In dieser Ausgabe widmet sich die Wissenschaftlerin einem durch und durch sympathischen Untermieter im Weinberg: Ein sanftes Rascheln in der Streuschicht ver- rät die Anwesenheit einer Zauneidechse. Ihre behände Fortbewegungsweise verhalf der Zaun- eidechse zu ihrem wissenschaftlichen Namen Lacerta agilis – die „flinke“ Eidechse. Von allem „a weng“ (Übersetzung für Nicht-Franken: von allem ein bisschen) Bei milden Temperaturen ein Sonnenbad im warmen Sand, bei zu großer Hitze Rückzug in den kühlenden Schatten. Was nach einem Urlaubstag klingt, beschreibt im Wesentlichen die Lebensraumansprüche der Zauneidechsen: strukturreiche Flächen mit exponierten Sonnen- plätzen auf Steinen oder im Sand, um den Körper nach kalten Nächten aufzuwärmen sowie schattige Bereiche und Versteckmöglichkeiten unter Holz oder Steinen während der Tageshitze. Weiterhin sind offene Sandflächen für die Eiablage wichtig. Ursprünglich bewohnten Zauneidechsen halb- offene Landschaften wie Magerwiesen, Heiden, Waldränder und Dünen. Da diese Flächen jedoch immer knapper wurden, eroberten die anpas- sungsfähigen Zauneidechsen intensiv genutzte Plätze wie Kiesgruben, Steinbrüche, Bauschutt- deponien oder Bahndämme. Wie der Name andeutet, sind Zauneidechsen auch gerne in naturnahen und abwechslungsreich gestalteten Gärten zu Gast. Hingegen wird man in mono- tonen „Stein- oder Rasenwüsten“ vergeblich nach den flinken Tieren Ausschau halten. Wichtig für eine erfolgreiche Ansiedlung der Zauneidechsen ist das Vorhandensein ihrer Beutetiere, wobei der Speisezettel sehr vielfältig ist (auch hier: von allem ein bisschen): Käfer, Wanzen, Ameisen, Heuschrecken, Zikaden, Spinnen und Regenwürmer landen zwischen den bezahnten Kiefern. Doch auch die Zaun- eidechsen selbst sind begehrte Beutetiere. Elstern, Mäusebussarde, Eichelhäher sowie Marder und Schlingnattern haben Eidechsen “zum Fressen gern“. Im Siedlungsbereich kommt die größte Gefahr für Eidechsen jedoch auf leisen Pfoten daher: Unsere Stubentiger sind für hohe Verluste der Eidechsenpopulationen in den Gärten verantwortlich. Eine Sollbruchstelle als Lebensversicherung Bei so vielen potenziellen Räubern ist es gut, wenn man einen Trick auf Lager hat, dem gefräßigen Schnabel oder Maul zu entkommen. Zauneidechsen setzen hierbei auf Ablenkung. Bei einem Angriff können Zauneidechsen ihren Schwanz abwerfen, der sich mittels aktiver Nerven und Muskeln noch einige Minuten weiterbewegt. Der sich windende Schwanz zieht die Aufmerksamkeit des Räubers auf sich – die „restliche“ Zauneidechse kann entkom- men. Der Schwanz wächst langsam wieder nach. Eidechsen als Zeckenabwehr Wie bei vielen Tier- und Pflanzenarten ist auch bei der Zauneidechse der beständige Verlust an geeigneten Lebensraum ausschlaggebend für den Rückgang. Dabei wäre der Schutz der Tiere auch für unsere Gesundheit wichtig. Denn Zaun- eidechsen können vor Ansteckung mit den von Zecken übertragenden Borreliose-Erreger schüt- zen. Bei Zecken sind Zauneidechsen als Blut- spender sehr beliebt. Häufig findet man mehrere Zecken auf einem Eidechsenindividuum. Doch Borreliose-Bakterien können sich im Eidechsen- blut nicht vermehren. Das bedeutet, sticht eine borrelien-positive Zecke zuerst eine Eidechse und anschließend einen Menschen zum Blutsau- gen, erkranken Letztere nicht an Borreliose. In der Weinberglandschaft lassen sich mit relativ geringem Aufwand geeignete Zauneidechsen- Lebensräume schaffen. Kleine Steinanhäufungen kombiniert mit offenem, sandigem Boden und eventuell noch etwas Totholz genügt. Wenn diese Eidechsen-Biotope im Randbereich der Wein- berge oder auf ehemaligen Spitzzeilen-Flächen entstehen, wird die Zauneidechse ihrem wissen- schaftlichen Namen alle Ehre machen und diese Bereiche „flink“ erobern. Die Zauneidechse – Ortstreue Grenzgängerin Dr. Beate Wende Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) An der Steige 97209 Veitshöchheim Telefon +49 (931) 9801-574 beate.wende@lwg.bayern.de FOTO: DR. BEATE WENDE FOTO: COMMONS.WIK IMEDIA.ORG UNTERMIETER IM WEINBERG DIVINO MAGAZIN·Nº 2/2021 21
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