Natürlich haben wir uns in diesen sehr besonderen Zeiten mit Covid, dem Krieg in der Ukraine und der angespannten wirtschaftlichen Situation einen unkomplizierten Verlauf im Weinberg gewünscht. Tatsächlich ist das zunächst auch eingetroffen: ein super Winter, keine Kälteeinbrüche, keine Spätfröste im Mai und auch die Wasserversorgung war zunächst absolut im Rahmen“, berichtet Paul Glaser, Leiter Qualitäts- und Weinbergsmanagement bei DIVINO. Das gesamte Frühjahr 2022 lief bis Ende April sehr gut, sogar über dem Durchschnitt. Die Vegetation zeigte großes Potenzial, und die Stimmung bei den WinzerInnen war sehr gut. Die Böden im Weinberg waren zwar nicht gesättigt, aber gut aufgefüllt. So fand auch die Rebblüte um Pfingsten herum „nach Plan“ statt und war innerhalb von 10 Tagen bei guten Temperaturen abgeschlossen. Danach kam die Trockenheit. Das traurige Mittel einer Statistik sei hier genannt: Die Niederschläge aus den Mo- naten Mai, Juni und Juli ergaben zusammen nicht einmal den durchschnittlichen Niederschlag eines einzigen Monats. „Immer, wenn die Sträucher am Wegrand dürr werden, wird es kriminell“, erinnert sich Paul Glaser, der die Lese 2018 mit ihrer Dürre noch sehr genau vor seinem inneren Auge hat. „Wir waren heuer für die Bonitur* der Trauben schon am 8. August draußen in den Weinbergen. Die alten Rebanlagen mit ihren tiefen Wurzeln hatten natürlich weniger Stress als Junganlagen. Wir haben festgestellt, dass die Traubenentwicklung zu dieser Zeit sehr gut war. Man fragt sich tatsächlich, wo die Reben ihr Wasser herbekommen. Die Reben, die auf sehr durchlässigen Böden stehen, und die jünger als zehn Jahre sind, hatten allerdings richtige Probleme! Unsere Winzer haben viel Wasser in diese Anlagen gefahren, um sie zu retten. Das kostet Kraft, Energie und Geld. Zusammen mit den steigenden Treibstoffpreisen und der wachsenden Inflation war das eine herausfordernde Situation, auch mental“, erzählt Paul Glaser. Deshalb haben sich in diesem Jahr die WinzerInnen auch häufiger als in anderen Jahren zum Austausch getroffen. Bei diesen Stammtischen wurde miteinander gegrillt, gegessen und ge- sprochen. Das hat die WinzerInnen zusammengeschweißt. „Wir konnten in diesem Jahr wirklich nicht nach einem festen Schema arbeiten. Anlage für Anlage musste gesondert angeschaut und ein individuelles Konzept für jeden Weinberg erstellt werden“, erklärt Glaser. „War die Rebe gefährdet, haben wir die Trauben am Stock reduziert oder manchmal auch auf null gesetzt, um die Pflanze zu retten. Wir verzichten lieber auf Ertrag und erhalten den Rebstock“, sagt Paul Glaser weiter. Auch die Art und Weise der Entblätterung spielte in diesem Jahr eine wichtige Rolle. Die Trauben wurden nicht freigestellt wie sonst, sondern eher Schattenblätter stehen gelassen, damit die Trauben einen „Sonnenschirm“ hatten und trotzdem noch schön belüftet waren. Es war viel Fingerspitzengefühl gefragt in diesem heißen und trockenen Sommer. AM ENDE IST ES GUT AUSGEGANGEN Fassen wir zusammen: Es war ein Jahr, in dem viel Individualität und Kommunikation nötig war. Trotz aller Bemühungen und auch trotz der Bewässerung gab es weniger Ertrag – etwa beim Bacchus liegen wir bei minus 30%. Die Trauben sind teilweise verbrannt und als verschrumpelte Beeren zu Boden gefallen. „Wir hatten heuer einen Extremfall mit der Trockenheit und der Hitze, und das war teilweise beängstigend. Gleichzeitig haben wir sehr viel dazu gelernt, sind noch enger zusammengewachsen als Mitglieder einer starken Genossenschaft, und am Ende haben wir zwar weniger, aber dafür sehr gutes und gesundes Lesegut nach Hause gebracht“, fasst Paul Glaser das Jahr 2022 im Weinberg zusammen. DAS WEINJAHR 2022 Turbulent, angespannt, ungewöhnlich – und mit einem guten Ende! Paul Glaser, Leiter Qualitäts- und Weinbergsmanagement bei DIVINO. *Die Bonitur eines Weinbergs ist eine Methode zur Beurteilung und Bewertung der Qualitätskriterien, die der Winzer im Weinberg umgesetzt hat. 24 Nº 2/2022·DIVINO MAGAZIN WEINJAHR 2022
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