DIVINO - Das Magazin | N° 1/2025 Frühjahr/Sommer

Insekten sind die vielfältigste Tiergruppe auf der Erde, und die Käfer stellen mit Abstand die artenreichste Ordnung dar. Weltweit sind bisher über 380.000 Arten beschrieben, und jährlich werden neue entdeckt. In Deutschland kommen ca. 7.000 Käferarten vor. Wir stellen Ihnen diesmal den Rosenkäfer vor: attraktiv grünschillernd, etwas plump gebaut, mit einem beeindruckenden aerodynamischen Vorteil. Und wich- tig zu wissen: Sowohl die Larven wie auch die erwachsenen Käfer gehören zu den Nützlingen. WER FLIEGT DENN DA? Mit einem charakteristischen tiefen Brummen kündigen sich fliegende Rosenkäfer an. So unverwechselbar wie das Geräusch ist das Flugbild der Rosenkäfer. Allgemein erkennt man Käfer an den hochgeklappten Vorderflügeln während des Fluges, die wie zwei Heckklappen am Körper in die Luft ragen. Denn zum Fliegen dienen nur die dünnhäutigen, transparenten Hinterflügel (Alae). Sitzt der Käfer, werden die Hinterflügel mittels komplizierten Faltvorgängen zusammengelegt (Origami ist nichts dagegen) und unter den schützenden harten Vorderflügeln verborgen. So genial der Schutz der verletzlichen Hinterflügel durch die starren Deckflügel ist, so hinderlich sind diese während des Fluges: Sie sorgen für einen enormen Luftwiderstand beim Fliegen, der mit zu- sätzlichem Energieaufwand kompensiert werden muss. Und genau hier zeigen Rosenkäfer ihren aerodynamischen Trick: Die Hinterflügel werden durch einen Schlitz an der Körperseite unter den Deckflügeln vorgeschoben und entfaltet. Die Deckflügel können während des Fluges ge- schlossen bleiben und müssen nicht als störende „Heckklappe“ luftwiderstandsfördernd in den Wind gestellt werden. Für Formel-1-Fans: Rosenkäfer fliegen also mit aktivem DRS (Drag Reduction System). Und so lassen sich – mit ein bisschen Übung – Rosenkäfer bereits fliegend als solche identifizieren, denn sie sind die einzigen Käfer, die „mit geschlossener Klappe“ fliegen. ZU UNRECHT VERURTEILT Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass Rosenkäfer und vor allem ihre Larven als Schädlinge Unheil im Garten und auf dem Feld anrichten. Das Gegenteil ist der Fall. Die adulten Käfer ernähren sich von Nektar, Pollen und Pflanzensaft. Auf ihrem Weg von Blüte zu Blüte tun sie genau das, wofür Bienen gefeiert werden. Rosenkäfer sind wichtige Bestäuber. Ab und zu knabbern sie zwar auch an den Blütenblättern, verursachen dabei jedoch keinen großen Schaden. Die Larven (auch Engerlinge genannt) sind wichtige Mitglieder der Zersetzer-Gemeinschaft. Sie leben in Totholz oder im Kompost und ernähren sich von verrottenden Pflanzenteilen oder Mulm. Durch ihre Ernährungsweise tragen sie aktiv und effektiv zur Humusbildung bei. Denn das, was bei den Rosenkäferlarven hinten herauskommt, bildet in der Mischung mit Regenwurmkot und Erde den für uns so wertvollen Dauerhumus. Werden die Rosenkäferlarven aufgrund einer falschen Zuordnung zu den Schädlingen großflächig bekämpft, vermindert man dadurch indirekt, aber effektiv die Bodenfruchtbarkeit. Dr. Beate Wende · Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) · An der Steige · 97209 Veitshöchheim Telefon +49 (931) 9801-574 · beate.wende@lwg.bayern.de Rosenkäfer sind eifrige Bestäuber. Die Musterung der Deckflügel kann variieren. Fälschlicherweise werden manchmal die Flügelflecken mit Verletzungen durch spitze Vogelschnäbel verwechselt. Die schillernden Farben des Gemeinen Rosenkäfers (Cetonia aurata) werden durch mikroskopische Kleinstrukturen auf dem Außenskelett erzeugt. Käfer – ein durchschlagenes Erfolgsrezept der Natur Warum sind gerade die Käfer so „erfolgreich“? Eine mögliche Antwort liefert der Körperbau. Im Gegensatz zu anderen Insekten ist der Käferkörper rundherum gut „gepanzert“. Die Dreiteilung des Körpers (Kopf, Brust, Hinterleib) wie bei den anderen Insek- ten ist bei den Käfern nicht mehr als solche zu erken- nen. Den ersten Brustab- schnitt bildet das kräftige Halsschild. Die beiden anderen Brustabschnitte sind mit dem Hinterleib zu einer Einheit zusam- mengefasst, die von den harten Deckflügeln über- deckt werden. So rundum geschützt haben Käfer alle Kontinente (mit Ausnahme der Antarktis) erobert. Ein weiterer Punkt sind die Mundwerkzeuge, die aus- nahmslos als kauendbeißend bei jedem Käfer ausgebildet sind. Kauendbeißende Mundwerkzeuge ermöglichen eine vielfäl- tige Nahrungsaufnahme: man kann damit „Fleisch“, Aas, Holz oder Pflanzenmaterial (frisch oder ver- rottend) zerkauen, Pilze, Wurzeln oder Pollen fressen oder auch Nektar aufnehmen. Kurz gesagt: Den Käfern steht jegliche Nahrung offen. DIE AERODYNAMISCHEN PIONIERE – ROSENKÄFER (CETONIIAE) An dieser Stelle berichtet Dr. Beate Wende, Biologin an der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Veitshöchheim, von besonderen Tieren und Pflanzen im Weinberg. In dieser Ausgabe widmet sich die Wissenschaftlerin einem überaus nützlichen Untermieter im Weinberg. FOTO: DR. BEATE WENDE 16 Nº 1/2025·DIVINO MAGAZIN LEBENSRAUM WEINBERG

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